Setzt Russland auf einen vermeintlich alles klärenden Schlag?
Das große Rätseln in Sachen strategischer Entscheidungen der Russ. Föderation macht längst die Runde. Kaum waren die Verhandlungsrunden unter Beteiligung ukrainischer Gesandtschaften mit bescheidenen Neuigkeiten über die Bühne, kaum die Ergebnisse des jüngsten ukrainischen Staatsterrors gegen russische strategische Einrichtungen in Irkutsk und Murmansk bekannt, häuften sich analytische Erklärungenversuche unter den Politjournalisten.
Zwei von denen habe wir in den letzten Jahren häufiger zitiert und wollen es auch dieses Mal tun. Thomas Röper (Anti-Spiegel.ru) und Pepe Escobar (häufiger bei https://strategic-culture.su/), beide ja Freunde der gewaltigen multipolaren und patriotischen Anstrengungen der Russ. Föderation, deuten die mögliche Perspektive des Konflikts aber durchaus unterschiedlich. Während es Escobar schon sicher scheint, dass alles auf die ‚große Keule‘ hinaus läuft und glaubt, der Kreml habe unter dem Druck der Verhältnisse jenseits von Oreshnik eher nicht andere überzeugende Möglichkeiten, verweist Röper auf die zwar komplizierte, aber unter dem Strich doch stetig günstiger werdende militärische Lage Russlands auf den Schlachtfeldern in der Ukraine.
Pepe Escobar möchte unter dem Titel „Warten auf die Oreshniks, während das Istanbuler Kabuki ‚nicht negativ‘ weitergeht“ (vgl. deutsche Übersetzung hier) die Ergebnisse der beiden Verhandlungsrunden von Istanbul doch eher geringer schätzen als der Kreml selber. Hier ein Auszug von einem insgesamt sehr lesenswerten Essay:
Das war die Stimmung im informierten Moskau – nur wenige Stunden vor dem erneuten Istanbuler Kabuki zu den „Verhandlungen“ zwischen Russland und der Ukraine. Drei wichtige Punkte:
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Der Angriff auf russische strategische Bomber – Teil der nuklearen Triade – war eine gemeinsame Operation der USA und Großbritanniens. Insbesondere des MI6. Die gesamten technischen Investitionen und die Strategie wurden von dieser Geheimdienstkombination bereitgestellt.
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Es ist völlig unklar, ob Trump wirklich das Sagen hat – oder nicht. Dies wurde mir in der Nacht von einer hochrangigen Geheimdienstquelle bestätigt; er fügte hinzu, dass der Kreml und die Sicherheitsdienste aktiv alle Möglichkeiten untersuchten, insbesondere wer letztendlich grünes Licht gegeben hatte.
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Nahezu allgemeiner Konsens in der Bevölkerung: Lasst die Oreshniks frei. Und schießt ballistische Raketen ab.
Thomas Röper verarbeitet die Pressestatements im russischen Fernsehen und die eher frustrierte Stimmung unter den Lesern seines Kanals zwar auch fragend und mit offener Perspektive „Wie geht es mit dem Ukraine-Krieg weiter?“, aber verweist in seinem ebenfalls in Gänze lesenswerten Beitrag auf die gerade im letzten halben Jahr errungenen substanziellen militärischen Erfolge der Russ. Föderation, welche die ukrainischen Militärs samt der inzwischen auch mobilisierten Jugendlichen und der internationalen Söldnertruppen in eine insgesamt eher prekäre Lage versetzt haben. Röper schreibt bilanzierend:
„Die Antwort auf die Frage, wie es in der Ukraine weitergeht, liegt in erster Linie in Brüssel, Paris, London und Berlin. Aufgrund der Personalprobleme der ukrainischen Armee, die sich auch nicht mehr lösen lassen, müssen die westlichen Unterstützer der Ukraine irgendwann die Frage beantworten, ob sie einen russischen Sieg akzeptieren oder ob sie ihre Soldaten zum Kampf gegen Russland in die Ukraine schicken. Wenn es vorher keine Verhandlungslösung gibt, werden sie irgendwann zwangsläufig und ultimativ vor dieser Frage stehen.
Die USA haben es da leichter als die EU. Schon unter Biden wollte die US-Regierung unter keinen Umständen mit eigenen Soldaten in die Ukraine, denn das würde zwangsläufig zu einem Krieg der USA gegen die Atommacht Russland führen. Aber die Biden-Regierung wollte die Ukraine maximal unterstützen, um Russland die gewünschte strategische Niederlage beizubringen. Das wollte man um fast jeden Preis, nur eben nicht zum Preis einer offenen amerikanischen Kriegsbeteiligung mit eigenen Soldaten in der Ukraine.“
Zu Röpers Stellungnahme ist allerdings kritisch anzumerken, daß der Hinweis auf die Hauptentscheider für das Schicksal des Kiewer Regimes „in erster Linie in Brüssel, Paris, London und Berlin“ wohl eindeutig eher nicht entscheidend ist. Vielmehr dürfte es zuallererst darauf ankommen, ob die Schlagkraft der russischen Militärs zu Lande, zu Wasser und in der Luft qualitative erhöht werden kann oder eben nicht. In den Kommentaren zahlreicher Telegram-Kanäle wird auf eine eher skeptische Stimmung gegenüber der Gruppe im Umfeld Präsident Putins (‚auf die Politik‘) verwiesen, die zugunsten eines speziellen tete a tete mit Trump gegenüber dem bloßen Staatsterrorismus Kiews bisher nicht auf eine deutlichere Verschärfung militärischer Lösungen gesetzt haben. Diese Schlußfolgerung aber möchte Thomas Röper nicht zum Ausdruck bringen.
Setzt sich in Russland eine Entwicklung durch, die schon so ähnlich 2022 zu Beginn der „speziellen Militäroperation“ stattfand: Die politische Führung im Kreml mußte von den russischen Militärs und den Völkern Russlands schon seit 2014 regelrecht dahin geschubst werden, das bloße Einfrieren des Konflikts mit NATO und der Ukraine aufzugeben.
Siehe dazu hier: Russisches Memorandum zur Beilegung des Ukraine-Konflikts
